Roter Faden im Pferdetraining?

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Kann ich auf mein Pferd eingehen, wenn ich einem roten Faden folge?

Diese Frage einer Zuschauerin bringt auf den Punkt, wie ich beim ersten CavaLearn-Live-Talk am vergangenen Freitag in die Diskussion mit Klassik-Ausbilderin Sonja Weber gestartet bin.

Die Frage war „Roter Faden oder Rumprobieren – Was bringt mich am Pferd wirklich weiter?“ Und mein Gedanke dazu war: Wie kann ich mein Pferd fair behandeln und auf seine – oder meine – Bedürfnisse eingehen, wenn ich in der Ausbildung einem vorgegebenen Weg folge? Wie sollte irgendjemand davon profitieren können?

Natürlich erscheint ein vorgezeichneter Weg leichter. Man muss nicht auf die eigene Intuition hören und nicht selbst nach Lösungen für Probleme suchen, was echt anstrengend sein kann. Er kann sogar dazu verleiten, die Verantwortung fürs eigene Handeln komplett abzugeben.

Jedes Pferd hat seinen eigenen Roten Faden

Aber Sonja Weber meinte mit “Rotem Faden” etwas anderes. Ihre Aussage „jedes Pferd hat seinen eigenen roten Faden“ hat mir gezeigt, dass sie mit dem roten Faden nicht eine übergeordnete Methode meint, der unbedingt zu folgen ist. Sondern dass man die Bedürfnisse seines Pferds kennt und seine Arbeit daran ausrichtet.

Roter Faden klang für mich wie Methode. Und darunter verstehe ich das Konzept, dass man etwas immer auf die gleiche Weise macht – in allen Situationen und mit allen Pferden oder Menschen. Sonjas Ansatz verstehe ich dagegen eher als eine „Richtung“ zu haben. Die kann sich je nach Pferd unterscheiden, aber sie sollte in sich stabil bleiben.

Wir waren uns einig, dass jeder gute Pferdemensch ebenso eine klare Linie verfolgen können sollte, als auch bei Bedarf verschiedene Ansätze zu probieren. Wo wir uneins sind, ist die Frage, was zu erst kommt.

Jeder Mensch ist unterschiedlich. Aber ich finde, zu viele Menschen fühlen sich angesichts von Problemen unsicher und verloren. Zu viele finden es zu schwierig, einfach mal was auszuprobieren.

Viele Menschen haben nicht gelernt, zu lernen

Der Grund dafür ist, dass sie nie gelernt haben, sich weiterzuentwickeln. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass sie nicht gelernt haben, zu lernen. Wer nur einem vorgegebenen Weg folgt, auf die Anweisungen seines Trainers hört und genau macht, was ihm gesagt wird, der lernt nicht, der kopiert. Dabei laufen andere Denkprozesse ab als beim Lernen und es macht Menschen abhängig.

Wer dagegen von Anfang an ohne Orientierung seinen Weg suchen muss, lernt ganz schnell, sich weiterzuentwickeln und Lösungen für Probleme zu finden. Er ist dabei jederzeit unabhängig von Lehrern und Vorbildern.

Deshalb halte ich es nicht für richtig, sich zuerst eine Basis in Form einer bestimmten Trainingsmethode anzueignen und erst danach andere Dinge auszuprobieren. Denn wenn die Basis nur ein Kopie ist und nicht selbst erarbeitet, erlaubt sie es nicht, danach effizient neue Dinge zu probieren.

Wer dagegen das Probieren und die Weiterentwicklung von Anfang an selbst steuert, kann sich jederzeit für einen definierten Weg entscheiden. Wenn dann ein Moment kommt, wo man den Eindruck hat, dass dieser Weg nicht mehr der richtige ist, hat man die nötigen Fähigkeiten, ihn zu verlassen, etwas Neues auszuprobieren und einen neuen Weg zu finden.

Sonja hat sicher Recht, wenn sie sagt, dass das für Reiter frustrierend und sogar gefährlich werden kann. Aber die Antwort darauf ist nicht, das Lernen zu behindern, sondern die Hilfe eines kompetenten Trainers. Der sollte seinem Schüler nur eben keine Tricks und Lektionen beibringen, sondern seinen Lernprozess unterstützen.

Ein Lehrer soll das Lernen fördern, nicht behindern

Ein Lehrer sollte Ideen vermitteln, aber nicht die Antworten auf die Fragen seines Schülers geben. Er sollte ermöglichen, dass der Schüler unter Aufsicht Dinge probiert, auch mal scheitert und daraus lernt. Er sollte nur eingreifen, wenn etwas komplett schiefzugehen droht oder gefährlich wird.

Sonjas Frust über Reiter, die von einem zum nächsten Trainer wechseln und dadurch nur sich und ihre Pferde verwirren, kann ich verstehen. Das ist tatsächlich ein Problem. Aber die Ursache dafür ist nicht, dass die Reiter sich unterschiedlichen Input holen. Sondern, dass sie die Informationen, die sie bekommen, nicht in ihr bisheriges Wissen integrieren können. Sie wissen nicht, welche Tipps für sie selbst und ihr Pferd wertvoll und nützlich sind und welche weniger.

Ich glaube, viele große Pferdetrainer heute haben vergessen, was sie in diese Position gebracht hat. Denn das war nicht ihre Fähigkeit, Trainingstechniken zu kopieren, sondern das Können, die richtige Herangehensweise für jedes einzelne Pferd, sie selbst und die Beziehung zu diesem Pferd zu finden. Und weil sie das vergessen, lehren diese Trainer, was für sie selbst funktioniert hat, anstatt ihren Schülern dabei zu helfen, das zu finden, was für diese jeweils am besten funktioniert.

Diskutieren in freundlicher und verständnisvoller Atmosphäre

Durch die Diskussion mit Sonja habe ich nochmal über meine Haltung nachgedacht. Ich verstehe ihren Frust und ich gebe ihr Recht, dass es da ein Problem gibt. Aber ich glaube, wir sollten nochmal intensiver über die Lösung sprechen. Denn für mich ist klar: Ich will Menschen helfen zu lernen. Sonja dagegen möchte Menschen helfen, sich sicher zu fühlen am Pferd, bevor sie selbst Dinge ausprobieren.

Es war toll, dass wir unsere unterschiedlichen Standpunkte in einer so freundlichen und verständnisvollen Atmosphäre offen besprechen konnten. So wünsche ich es mir. Denn am Ende sind wir alle eine große Familie – die Familie der Pferde-Menschen.

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